SPIRITUELLE DISZIPLIN
Die beste Dinge im Leben sind umsonst.
Bewusstsein, Unbegrenztheit, Liebe, Freiheit, Weite, Intelligenz, Kreativität, Freude, Verbundenheit . . . diese Qualitäten sind das Wesen unserer wahren Natur. Dafür müssen wir nichts tun, uns nicht anstrengen oder bezahlen. Was immer wir über uns und die Welt glauben, ändert daran nichts. Wir können nie mehr oder weniger sein, als wir jetzt schon sind.
Der Sinn einer spirituellen Disziplin – wie Kontemplation, Gebet, Meditation, Dankbarkeit üben, Verantwortung übernehmen, heilige Kommunikation. . . . – besteht deshalb nicht darin, ein verbesserter Mensch zu werden oder die Welt zu retten. Ihr Sinn besteht darin, uns an die Wahrheit zu erinnern und klar zu sehen, was nie verborgen war.
Eine spirituelle Disziplin richtet die Aufmerksamkeit neu aus. Sie befreit sie aus der Fixierung auf leidverursachende Gedanken und macht immer wieder bewusst, dass Denken und Wirklichkeit nicht dasselbe sind. Damit lösen sich auch Verhärtungen im Körper, im Fühlen und Verhalten. Wir werden durchlässiger und fließender.
Parallel dazu verankert sie die Aufmerksamkeit dauerhaft im Grund unseres Wesens. Statt von der unvermeidlichen Dualität des Denkens ständig zwischen gegensätzlichen Standpunkten und Meinungen hin und her getrieben zu werden, erkennen wir uns als das Bewusstsein, dass allen Gedanken und Dualitäten vorausgeht. Wir erfahren uns als Welle und Meer, als Bewegung und Stille, als das Eine hinter allen Erscheinungen. Den Angelegenheiten der Welt begegnen wir angemessen und entspannt um, ohne uns in ihnen zu verlieren.
Eine spirituelle Disziplin berührt alle Aspekte des Lebens und kann, ungeachtet der konkreten Umstände, jeden Augenblick in einen der Hingabe, Achtsamkeit und des Eingestimmtseins auf das Größere verwandeln. Je tiefer sie uns in das führt, was wir bereits sind, desto leichter fällt sie und verschmilzt schließlich mit dem, was wir in der Herzwegearbeit „EINFACHE GEGENWART“, oder einfach Leben nennen.
Impuls: Gehe durch den Tag und bewege immer wieder die Fragen in deinem Herzen: „Wer bin ich?“ und „Was ist das alles hier?“ Denke nicht angestrengt darüber nach. Suche nicht nach Worten und Erklärungen. Spüre ihnen eher intuitiv nach, bleibe offen und sanft. Spüre, wie sich die Aufmerksamkeit über deine Gedanken, Sinneseindrücken und Gefühle hinaus weitet und der Stille gewahr wird, die alles umgibt. Erlaube dir, während du den täglichen Dingen nachgehst, dich immer wieder von dem Wunder der Existenz berühren zu lassen.
Während ich schreibe, postet jemand die folgende Geschichte von Anthony de Mello auf Facebook, die das Gesagte wunderbar verdeutlicht: Ein spiritueller Meister wird von einem Schüler gefragt, was er tun könne, um zur Erleuchtung zu gelangen. „Genauso wenig, wie du tun kannst, damit morgens die Sonne aufgeht“, antwortet der Meister. Darauf fragt der Schüler: „Welchen Sinn haben dann aber die spirituelle Übungen, die du empfiehlst?“ Und der Meister erwidert: „Sie sorgen dafür, dass du nicht einschläfts, wenn die Sonne aufgeht.“